Eine Dissoziation ist nicht automatisch gleichbedeutend mit einer dissoziativen Störung. So gut wie jeder Mensch erlebt mehr oder weniger oft einen dissoziativen Zustand. Das kann auf der Fahrt nach Hause von der Arbeit sein oder indem man sich beispielsweise in ein gutes Buch vertieft.
Bei einer Dissoziation handelt es sich also um ein psychologisches Phänomen, welches in unterschiedlicher Stärke und in verschiedenen Formen auftreten kann. Die Ausprägungen reichen von harmlosen dissoziativen Zuständen im täglichen Leben bis hin zu psychischen Störungsbildern und einer eigenständigen, schweren dissoziativen Störung.
Dissoziation - die Definition
Der Begriff Dissoziation stammt aus dem lateinischen (dissociare) und bedeutet übersetzt „trennen“ oder „scheiden“. In einem dissoziativen Moment sind die Wahrnehmungen, das Handeln, Fühlen und Denken voneinander getrennt. Die Trennung dieser psychischen Funktionen kann wenige Sekunden oder über einen längeren Zeitraum dauern.
Um eine Dissoziation richtig zu verstehen, ist es wichtig zu wissen, sowohl das Gedächtnis, die Wahrnehmung und das Bewusstsein einen Menschen als Person ausmacht. Diese drei Eigenschaften formen einen eigenständigen und individuellen Menschen mit seinem Denken, Handeln und Erleben. Tritt eine Dissoziation auf, ist die Wahrnehmung der Umwelt oder die Selbstwahrnehmung gestört. Zusätzlich wird das Gedächtnis beeinträchtigt und die Erinnerung wird verzerrt oder komplett ausgeblendet.
Treten Störungen bei diesen drei genannten Dingen auf, kommt es zu einer bewussten oder unbewussten Trennung der seelischen Vorgänge. Die Umwelt wird nicht mehr mit der Person verknüpft und die Einheit ist gestört.
Das Gegenteil einer Dissoziation ist die Assoziation. Dieser Begriff wird von den meisten Menschen leichter verstanden. Bei einer Assoziation werden Ideen oder Gedanken miteinander verknüpft. In einer schwachen Form passieren beide Zustände etwa gleich häufig im Alltag.
Ist eine Dissoziation schlimm?
Im ersten Moment klingt es schlimm, wenn von einem Auseinanderfallen von psychischen Funktionen die Rede ist. Allerdings ist es wichtig, zu unterscheiden, in welchem Schweregrad eine dissoziative Störung vorliegt.
Leichte Dissoziationen kommen fast täglich vor und sind kein Grund für eine Beunruhigung. Das typische Tagträumen oder das gedankenverlorene Schauen in die Ferne gehören sogar zu den angenehmen Ausprägungen. Handelt es sich jedoch um einen schweren dissoziativen Zustand oder Störung, liegt die Extremform vor. Diese Art zählt zu den schlimmsten psychischen Erkrankungen, da das Zusammenspiel und die Integration der einzelnen psychischen Funktionen nicht mehr gegeben sind. Dabei handelt es sich nicht nur um wenige Sekunden oder ein paar Minuten, sondern eine lang anhaltende Störung.
Generell handelt es sich bei einer dissoziativen Störung nicht um ein eigenständiges Krankheitsbild. Vielmehr ist es die Beschreibung eines Zustands. Der Zustand wird durch unterschiedliche dissoziative Symptome und Störungsbilder gekennzeichnet.
Dissoziative Symptome bei psychischen Belastungen
Theoretisch ist die Psyche bei einer Dissoziation für eine kurze Zeit nicht gesund und man fühlt sich unwohl. Treten dissoziative Symptome bei Personen mit einer psychischen Belastung auf, nimmt das Unwohlsein ein viel größeres Ausmaß an. Die Beeinträchtigungen können im Alltag zu verschiedenen Problemen führen.
Liegt eine Depression, eine Angststörung oder andere psychische Störungen wie etwa eine Persönlichkeitsstörung vor, leiden die Betroffenen oft unter sehr schweren dissoziativen Zuständen, die lang andauernd sind und ein starkes unangenehmes Identitätsgefühl auslösen.
Dabei sind die folgenden dissoziativen Symptome möglich:
Derealisation
Bei der Derealisation handelt es sich um ein bei einer Dissoziation typisches Gefühl, wobei die Umwelt nicht mehr als solche wahrgenommen wird. Die Umgebung erscheint als abnormal, fremd und unvertraut. Auch das Gefühl, der Welt vollkommen entrückt zu sein, ist ein typisches Anzeichen der Derealisation. Im Gegensatz zu gesunden Menschen, die die Reaktion aufgrund einer starken alltäglichen Belastung erleben, ist bei einer Derealisation ein unangenehmes und bedrohliches Gefühl dominierend. Außerdem werden andere Menschen häufig als unwirklich und stumpf wahrgenommen.
Depersonalisation
Im Gegensatz zur Derealisation, welche eine Störung der Umgebungswahrnehmung bezeichnet, ist die Depersonalisation eine Störung der eigenen Selbst- sowie Körperwahrnehmung. Schwache Ausprägungen einer Depersonalisation können am ehesten mit einem Gefühl des „neben sich Stehens“ beschrieben werden. Genau wie auch die Derealisation tritt auch die Depersonalisation oft bei weiteren psychischen Störungen wie etwa einer Depression, aber auch bei Angst- und Panikzuständen oder bei einer Borderline-Persönlichkeitsstörung auf.
Beide Zustände werden als Ich-Störung bezeichnet.
Amensie
Im Alltagsgebrauch wird Amnesie oft mit einer Vergesslichkeit oder mit der Tatsache, sich nicht erinnern zu können, in Verbindung gebracht. Bei der “dissoziativen Amnesie” handelt es sich jedoch um einen Erinnerungs- bzw. Gedächtnisverlust, welcher auf großen Stress oder ein Trauma zurückzuführen ist.
Dass sich Menschen nicht an alle Details im Leben erinnern können, ist völlig normal. Auch kurzzeitige Black-Outs, bei denen man nicht ganz bei der Sache ist, sind kein Grund zur Sorge. Die meisten haben sich schon einmal nach dem Verlassen der Wohnung gefragt, ob der Herd auch tatsächlich ausgeschaltet wurde.
Erinnerungen an besondere Ereignisse, egal ob positiv oder negativ, sind jedoch in der Regel vorhanden. Bei besonders stressigen oder schlimmen Ereignissen neigt der Mensch allerdings dazu, die Situation bewusst auszublenden und nicht wirklich wahrhaben zu wollen. Vor allem traumatische Geschehnisse sind schlichtweg einfach zu viel für die Psyche und können nicht verarbeitet werden. Diese Momente können Auslöser für eine Dissoziation darstellen und sorgen dafür, dass selbst prägende Ereignisse aus dem Gedächtnis verbannt werden.
Was ist eine dissoziative Störung?
Bei einer dissoziativen Störung handelt es sich um einen schweren, chronifizierten dissoziativen Zustand. Im Gegensatz zu dissoziativen Symptomen, die auch bei gesunden Menschen auftreten können, sind dissoziative Störungen Zustände, die über einen langen Zeitraum andauern und ein ganz typisches, eigenes Störungsbild aufweisen. Das bedeutet, dass nicht automatisch jede Dissoziation auch eine dissoziative Störung sein muss.
Betroffene stehen in der Regel unter einem hohen Leidensdruck, da das Identitätsbewusstsein im Prinzip fehlt und nicht vorhanden ist. In diesen Zuständen sind Wahrnehmungen, Erinnerungen und das Bewusstsein voneinander getrennt. Je nach Schwere sind diese wichtigen psychischen Funktionen über einen großen Lebenszeitraum nicht mit dem restlichen Körper verbunden. Als Resultat sind körperliche Probleme wie der Verlust über den Bewegungsapparat oder das Fehlen körperlicher Empfindungen möglich.
Dennoch gibt es Hoffnung, da sich auch dissoziative Störungen nach einer gewissen Zeit wieder erholen. Das Erholen kann allerdings mehrere Monate in Anspruch nehmen und die dissoziativen Störungen können außerdem erneut auftreten.
Wie kann Betroffenen geholfen werden?
Die Dissoziattions Forschung ist verglichen neu. Dementsprechend gibt es noch nicht all zu viele Psychotherapeut:innen und Therapeut:innen, welche auf das Gebiet spezialisiert sind. Eine Therapie ist jedoch unausweichlich bei Betroffenen, um eine verbesserte Lebensqualität zu erreichen. Auch dissoziative Symptome lassen sich im Rahmen einer Psychotherapie gut behandeln.