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Trauma: Keine Erinnerung, nur Gefühle – was steckt dahinter?

Als Trauma wird ein belastendes Ereignis bezeichnet, welches von der betroffenen Person nicht verarbeitet und bewältigt werden kann. Nicht verarbeitete traumatische Erfahrungen können eine posttraumatische Belastungsstörung, aber auch Störungen im Gedächtnis als Folge haben.


Dissoziative Amnesie – psychisch bedingte Gedächtnislücken

Bei einer Amnesie handelt es sich um eine vollständige oder teilweise Unfähigkeit, sich an Erlebnisse oder Ereignisse zu erinnern. Liegt der Auslöser nicht in einer medizinischen, sondern einer psychischen Ursache, ist von einer dissoziativen Amnesie die Rede.

Dabei ist es möglich, dass die Betroffenen Gedächtnislücken von nur wenigen Minuten bis zu mehreren Jahren haben. Häufig beinhaltet der Gedächtnisverlust bei einer psychisch bedingten Ursache Informationen, die aus dem autobiografischen Gedächtnis stammen. Auch Ereignisse, die bei dem Auslöser zur bewussten Wahrnehmung gehörten, fehlen häufig in der Erinnerung. Typische Lücken bestehen bei den folgenden Punkten:

  • Wo war ich bei dem Zeitpunkt?
  • Wer war beteiligt?
  • Was habe ich zu dem Zeitpunkt getan?

Die verlorenen Erinnerungen können Informationen über das traumatische Erlebnis beinhalten wie beispielsweise einen Missbrauch. Wurde eine Frau beispielsweise in einem engen, kleinen Raum vergewaltigt, kann es passieren, dass die Betroffene intuitiv ähnliche Räume meidet, ohne sich jedoch an den Vorfall im Detail erinnern zu können. Menschen, die unter einer psychisch bedingten Erinnerungslücke leiden, müssen nicht zwangsweise selbst von einem Trauma betroffen sein. Auch als Zeuge ist solch eine Amnesie möglich. Mögliche Auslöser sind zum Beispiel:

  • Ein Gewaltverbrechen
  • Naturkatastrophen
  • Krieg
  • Ein schwerer Unfall
  • Der Tod einer geliebten Person

Generell sind Frauen häufiger von einer dissoziativen Amnesie betroffen als Männer.

Verschiedene Arten einer dissoziativen Amnesie

Die lokalisierte Amnesie:

Der Gedächtnisverlust beinhaltet ein ganz bestimmtes Ereignis oder eine Zeitspanne. Das kann der Zeitraum oder die Zeit nach einem Missbrauch in der Kindheit sein, aber beispielsweise auch die Zeit, die in einem Kriegsgebiet verbracht wurden.

Die generalisierte Amnesie:

Bei einer generalisierten Amnesie treten Lücken die persönliche Identität betreffend auf. Dabei sind Lücken in der Lebensgeschichte, bei erworbenen Fähigkeiten oder der Geschehnisse in der Welt möglich.

Die selektive Amnesie:

Hier sind nur bestimmte Ereignisse oder Teile eines Ereignisses betroffen.

Die systematisierte Amnesie:

Im Fall einer systematisierten Amnesie fehlen Aspekte, die eine bestimmte Person oder eine bestimmte Kategorie betreffen, im Gedächtnis der betroffenen Person.

Die kontinuierliche Amnesie:

Bei einer kontinuierlichen Amnesie sind nicht nur Momente während des traumatischen Ereignisses aus dem Gedächtnis gelöscht, sondern es treten immer wieder neue Gedächtnislücken auf.

Typische Merkmale einer Gedächtnisstörung

Der Gedächtnisverlust aufgrund der Traumatisierung kann direkt nach der belastenden Situation, aber auch erst Jahre später auftreten. Nach dem auslösenden Ereignis wirken die Betroffenen häufig verwirrt, aber auch Verzweiflung, Hilflosigkeit bis hin zur Gleichgültigkeit sind mögliche Formen der Reaktion.

Später sind Flashbacks oder eine posttraumatische Belastungsstörung möglich. Das Wiedererleben des Traumas ist bei einer Amnesie häufig nur bruchstückhaft. Die Gewalt und Rohform von den Erlebnissen und die damit verknüpften Bilder werden aus dem Gedächtnis gelöscht oder stehen nicht mit der traumatischen Erinnerung in Verbindung. Oft bleibt nur ein Gefühl, ohne eine detaillierte Erinnerung an das Geschehene zu besitzen.


Die komplexe posttraumatische Belastungsstörung als mögliche Folge

Bei besonders schwerwiegenden oder langanhaltenden Traumata wie etwa bei sexueller Gewalt, bei emotionaler oder körperlicher Vernachlässigung im Kindesalter sind erhebliche Beeinträchtigungen bis hin zur Persönlichkeitsstörung als Folge möglich. Die Symptome können unterschiedlich ausfallen. Viele Betroffene haben eine veränderte Selbstwahrnehmung. Sie fühlen sich hilflos und sind der Ansicht, keine Kontrolle über ihr eigenes Leben zu besitzen. Andere Symptome bestehen in einer Überforderung der eigenen Regulationsfähigkeit. In diesem Fall können heftige Wutausbrüche, aber auch der Hang zur Selbstverletzung oder der Missachtung von Sicherheitsaspekten auftreten. Hinzu kommen körperliche Beschwerden, die jedoch nicht in den Zusammenhang mit bestimmten organischen Leiden gebracht werden können. Besonders häufig treten chronische Erkrankungen, Schwindel, Erschöpfung oder Beschwerden bei der Verdauung auf.


Das Traumagedächtnis und seine Funktion

Jeder Mensch verfügt über zwei Arten von Gedächtnissystem. Zum einen ist es das kognitive Gedächtnis, das zum Denken genutzt wird und Zahlen, Fakten und Daten von Ereignissen abspeichert. Dieses Gedächtnis wird in der Schule trainiert und das Leben lang genutzt. Das zweite Gedächtnissystem ist ein Gedächtnis, mit welchem die Menschen Erlebnisse, Sinneserfahrungen und Gefühle abspeichern.

Beide Arten sind im Zusammenhang mit einem Trauma wichtig, um zu verstehen, wie das Traumagedächtnis funktioniert. Die meisten Menschen, die ein Trauma erlebt haben, werden von den schlimmen Erinnerungen und Angstgefühlen überflutet. Bei einigen bleiben Angstattacken auch Jahre nach dem Vorfall bestehen, ohne direkt mit dem Trauma in Verbindung gebracht zu werden. Auch andere Gefühle, die im Zusammenhang mit dem traumatischen Erlebnis existieren, können später ähnlich wie die Angst weiter wahrgenommen und wiedererlebt werden, ohne dabei mit den Erinnerungen aus dem kognitiven Gedächtnis hinsichtlich des Traumas verknüpft zu werden.


Das scheinbare Vergessen als Schutzmechanismus

Ein Teil des menschlichen Gehirns ist darauf ausgelegt, schlimme Erfahrungen und Bedrohungen zu erkennen und diese zu vermeiden. Schon früh in der Geschichte der Menschheit ist dieses Verhalten zu erkennen. Ein Angriff eines Säbelzahntigers wird als Bedrohung erkannt, der Körper stellt auf ein Notfallprogramm um und schüttet unter anderem Adrenalin aus. In der heutigen Zeit sind diese Verknüpfungen noch immer spürbar. Allerdings haben sich die Bedrohungen gewandelt. Was früher das Raubtier war, sind heute Bomben, die mit Donnergrollen assoziiert werden oder eine Vergewaltigung, die das Warnsystem bei Nähe zu anderen Menschen aktiviert, auch wenn diese nur Gutes tun möchten. Eine liebevoll gemeinte Umarmung wird zum potentiellen Angriff und somit zu einer nicht unbeachtlichen Einschränkung im alltäglichen Leben.

Viele traumatisierte Menschen verlieren Erinnerungen an das Trauma, um sich zu schützen. Die traumhafte Erinnerung wird in diesem Fall abgespalten und betrifft hauptsächlich Informationen aus dem kognitiven Gedächtnis. Bruchstücke, die aus dem kognitiven Gedächtnis verbannt wurden, können noch immer in der gefühlsbetonten Hälfte aufflackern. Sie sind im Traumagedächtnis abgespeichert und bestehen meistens aus Gefühlen wie Angst, Schrecken oder hoher Erregung.


Hilfe durch eine Psychotherapie

Eine Psychotherapie mit einem Therapeuten kann den Betroffenen helfen und unterstützen, die Traumatisierung zu verarbeiten. Während der Behandlung wird das Traumagedächtnis angesprochen und versucht, das Trauma oder das schlimme Erlebnis zu verstehen, zu verarbeiten und zu akzeptieren. Gemeinsam mit dem Therapeuten oder der Therapeutin werden Lösungswege erarbeitet, um eine Kontrolle über die Erinnerungen zu erlangen und wieder positiv nach vorne schauen zu können.

Fotos: https://pixabay.com/de/ & Henrike Ortwein

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