Mein Erlebnis:
„Du Fo…, du blöde Schla…., du Fo…! Verpiss Dich hier, hau ab, Du Fo….!“
So wurde ich in Begleitung meines Sohnes (Grundschüler) in einem Mehrfamilienwohnhaus in Hamburg Eidelstedt empfangen, als ich meine 78-jährige Tante besuchte.
Eine besorgte ältere Dame und eine Nachbarsfamilie mit mehreren Kleinkindern befanden sich zum Zeitpunkt unseres Eintreffens ebenfalls im Treppenhaus bzw. kamen aufgrund des Gebrülls hinzu. Mein Sohn fing an zu weinen und wollte nur noch nach Hause.
Der Aggressor verzog sich nach ein paar Minuten des Schreiens in seine Wohnung. Auch später, aus der Wohnung meiner Tante, konnten wir den Aggressor weiterhin schreien und rufen hören. Mein Sohn legte sich flach auf den Wohnzimmerboden, hinter einen Sessel und weinte, weil er nach Hause wollte. Meine Tante versuchte zu beschwichtigen, dass die Anwohner den Mann bereits kennen und solche Anfälle normal seien. Die Hausmeister und alle direkten Nachbarn wüssten Bescheid.
Ich erinnerte mich, den Mann schon bei früheren Besuchen gehört zu haben. Er schrie in seiner Wohnung, sodass meine Tante lautstark ihr Radio einschaltet, um den Störenfried nicht hören zu müssen. Seit ein paar Wochen ist mir „der Mann vom Hören“ bekannt, da ich meine Tante regelmäßig besuche. Sie ist Prädemenz und infolge der Corona-Beschränkungen hat sie eine Depression entwickelt.
Nach kurzer Überlegung alarmierte ich den Polizeinotruf und schilderte den Vorfall. Schon kurze Zeit später kamen drei Polizeibeamte in Uniform und befragten mich zuerst zum Sachverhalt, ehe sie eine Etage über uns an der Wohnungstür des Aggressors klingelten.
Der Mann reagierte auch nach mehrfachen Klopfen und „Aufmachen Polizei!“ nicht. Erst eine ganze Weile später wurde die Tür geöffnet, die Polizisten belehrten und befragten ihn. Der Mann gab an, dass er sich gestört gefühlt habe. Er wurde ermahnt und die Polizisten verschafften sich einen Überblick in dessen Wohnung.
Später berichteten sie mir, dass sie einen Bericht schreiben würden und den Mann zur Ruhe ermahnt haben. Mehr könne man nicht unternehmen, da keine akute Fremd- und Eigengefährdung vorliegt.
Meine Tante und mein Sohn standen immer noch unter dem Eindruck des Geschehenen, auch die Nachbarin und deren Kinder wirkten beunruhigt und sagten, dass der Aggressor immer rumbrüllt. Mein Sohn wiederholte, dass er zukünftig nicht mehr in die Wohnung der Tante fahren wolle.
Als Polizeibeamtin hatte ich viele Begegnungen mit Menschen, die eine schwerwiegende Psychose hatten und aufgrund ihres Verhaltens sich und /oder andere gefährdeten, sodass wir sie in Gewahrsam nehmen mussten. Einige wurden per Gerichtsbeschluss vorübergehend in eine geschlossene Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses eingewiesen. Manchmal per Zwangseinweisung durch einen Amtsarzt und richterlichen Beschluss, einige auf freiwilliger Basis, z.B. bei akuter Suizidalität. Die Überführung ins psychiatrische Klinikum erfolgt mit Polizei-Begleitung im Rettungswagen, wobei zusätzlich ein Polizeistreifenwagen hinterherfährt und den Transport begleitet.
Bei solchen Einsätzen trug ich immer eine Uniform mit Schutzweste, war bewaffnet und mein Streifenpartner begleitete mich. Als ich jetzt „privat“ und völlig unvorbereitet mit meinem Kleinen äußerst aggressiv und penetrant angeschrien wurde, fühlte ich mich unwohl. Ich brachte uns in Sicherheit - in die Wohnung meiner Tante, und alarmierte die Polizei.
Ich vermied den direkten Kontakt mit dem Aggressor, weil ich dessen Gewaltpotenzial nicht einschätzen konnte und mich auch nicht weiterhin derart anzuschreien lassen wollte. Ich wich aus. Flight or Fight - Flucht oder Kampf sind unsere Urtriebe und werden durch Emotionen wie Angst ausgelöst. Das ist evolutionsbedingt vererbt und hat uns in Zeiten, in denen der Tiger die Herde angriff und in denen es hieß, kämpfen oder fliehen, überleben lassen.
Was ist eine Psychose?
Psychose ist ein Oberbegriff für psychische Störungen, bei denen es zu einer Beeinträchtigung des Realitätsbezugs kommt (Codiert im ICD 10 F 2.).
Typisch sind schwere Veränderungen der Gefühle, der Gedanken und des Verhaltens der Betroffenen, wie u.a. Wahnwahrnehmungen, Gedankenentzug, -ausbreitung, -eingebung, Stimmen hören, bizarrer Wahn, Verfolgungs-, Verschuldungs-, und Größenwahn.
Eine Psychose kann das Leben eines Menschen stark beeinträchtigen. Es kann schwierig sein, stabile Beziehungen zu führen oder aufrechtzuerhalten. Auch einen Beruf auszuführen, den Alltag zu bestreiten und für sich selbst zu sorgen kann Probleme bereiten.
Eine Psychose kann für die Person und ihr Umfeld sehr belastend und störend sein.
WO KÖNNEN PSYCHOSEN VORKOMMEN?
Psychotische Störungen können bei verschiedenen psychischen Störungen auftreten, z.B. bei Schizophrenie, bipolarer Störung oder Demenz. Auch mit Alkohol und Drogenkonsum kann es zu psychotischen Auffälligkeiten kommen, die nicht mit einer gespaltenen Persönlichkeit oder geistigen Behinderung zu verwechseln sind.
In leichten Verläufen fühlt sich die betroffene Person durch das Erleben der Psychose gar nicht beeinträchtigt oder empfindet es nicht als problematisch.
Woran erkenne ich, ob mein Gegenüber eine Psychose entwickelt?
Wichtig ist es, frühe Anzeichen und Symptome einer Psychose zu erkennen. Ein einzelnes Anzeichen spricht nicht für eine Psychose, wenn jedoch mehrere Anzeichen oder Symptome auftreten, ist eine Psychose wahrscheinlicher.
Psychotische Symptome können durch Faktoren wie extremen Stress oder traumatische Erfahrungen, aber auch scheinbar ohne Auslöser auftreten. Der intellektuelle und kulturelle Kontext der Person muss ebenfalls betrachtet werden.
Wenn Sie sich unsicher sind, ob eine Person, Freunde oder Angehörige psychotische Symptome erlebt, kontaktieren Sie bitte umgehend eine Fachperson.
Dies kann ein*e Psychologe*in oder ein Arzt sein. Um durch die Begegnung entstandene Traumata oder Angstzustände zu verarbeiten, sprechen Sie mich bitte an. Ich stehe gern an Ihrer Seite.